Es ist Montagmorgen. Es ist mucksmäuschen still hier, ich bin allein. Kein Geplapper, kein Gestreite, kein Gezanke, kein Genöle, nichts. Nicht das kleinste Bisschen. Die Kinder sind unterwegs, in die Schule mit Corona-Stundenplan. Und in den Kindergarten. Nach über 10 Wochen #stayathome sind sie wieder unterwegs.
Eine Stunde zuvor: die Stimmung? Sprechen wir nicht darüber. Eine merkwürdige Mischung aus unausgeschlafen, müde, aufgekratzt und hibbelig. Explosive Mischung. Wie wird es wohl werden? Wie sind die Klassenkamerade und Kindergartenfreunde drauf? Was gibt es Neues? Wie sieht der Schul- und Kindergartenalltag aus? Welche Rituale bleiben, welche fallen weg und welche kommen neu hinzu? Alles neu, alles zurück auf Anfang. Den gewohnten Vor-Corona-Alltag wird es nicht mehr geben. Und wir wissen nicht genau, wohin uns diese Reise führt. Weder wir, noch die Kinder.
Sie sind tapfer und sie sind stark. Gemeinsam als Schwester und Bruder, als Einzelperson und mit uns als Eltern haben sie die letzten Wochen gerockt. Nicht selten habe ich sie für ihre Leichtigkeit mit der unbekannten Situation umzugehen bewundert. Klar, es gab hier und da Durchhänger, schlechte Laune und Gemotze. Aber nicht sehr viel mehr, als vor Corona. Aber sie haben die Tage so manches Mal besser gemeistert als ich. Und darauf bin ich unglaublich stolz.
Sie haben vieles gelernt, vor allem die Kleine. Nicht selten hat sie Vorschulübungsblätter gemacht während der Bub sich um seine Schulsachen gekümmert hat. Kleine Filme für den Sachunterricht hat sie einfach mit angeschaut. Oftmals mussste sie sich auch einfach selbst beschäftigen während ich beim Lernen geholfen habe. Nicht einfach für die quirlige Maus aber sie hat es einfach toll gemacht. Ein weiterer kleiner Meilenstein in ihrem jungen Leben. Und auch der Bub hat gelernt. Den neuen Schulstoff, sich selbst zu organisieren, sich Aufgaben einzuteilen und Dinge selbst zu erarbeiten. Ein Stückchen fürs Leben.
Und wie geht es mir? Ich habe mich ein bisschen anstecken lassen von der Aufgeregtheit der Kinder. Ich bin hibbelig und nervös. Meine Gedanken rasen wie auf einer Autobahn dahin, ohne Rast und ohne Ziel. Einfach auf der Durchreise, nicht klar und strukturiert. Eher blitzschnell und viel zu viele.
Ist es richtig, dass sie bereits wieder in ihre Einrichtungen gehen? Dass sie Klassenkamerade, Kita-Freunde, Lehrer und Erzieher wieder sehen? Die Zahlen jedenfalls bestätigen es. Und die eine Seite meines Mamaherzes freut sich so. Darüber, dass sie ihre sozialen Kontakte wieder aufbauen können. Darüber, dass sie unter Gleichaltrige kommen, ihre Freunde wieder sehen. Darüber, dass sie anderen geistigen Input bekommen. Und ja, auch darüber, dass morgens hier wieder Ruhe einkehrt. Ich meinen Vormittag für mich selbst strukturieren kann. Ja, so langsam darf sich ein neuer Alltag hier einfügen. Denn es ist nicht so, wie vor Corona. Das wird es vermutlich für sehr, sehr lange Zeit nicht mehr sein. Vielleicht wird vieles auch einfach anders bleiben.
Aber die andere Seite meines Mamaherzes schreit: „Bleibt doch noch hier!“ Hier seid ihr behütet, hier kann euch nichts passieren. Ich kann mit euch lernen, spielen, basteln. Auch, wenn ich für mich selbst keine Zeit habe. Es schreit: „Es ist zu früh!“ Wartet doch noch ein bisschen, mit all diesen Lockerungen, die mich überfahren und die ich mir nicht merken kann. Lockerungen, die mal mehr und mal weniger eingehalten werden. Die für mich oft auch einen faden Beigeschmack haben. Dieses Loslassen in eine Welt, die ich gerade nicht greifen kann schmerzt. Ich würde mir gerne noch etwas Zeit wünschen, ich würde gerne noch etwas warten. Zumindest ein Teil von mir.
Aber warten worauf? Auf noch niedrigere Zahlen? Auf nach den Sommerferien? Auf bessere Zeiten. Keine Zeit ist besser als die, in der wir jetzt gerade leben. Das anzunehmen fällt den Kindern leichter als mir. Wieder loszulassen, zu fliegen, das sichere Nest zu verlassen, den Anker zu lichten. Die Segel zu setzen in Richtung eines neuen, spannenden Abenteuers. Neue Wege zu bestreiten und ein weiteres Kapitel aufzuschlagen im Buch des Lebens. All das packen die Kinder mit so viel mehr Leichtigkeit an, als ich selbst.
Mein nächstes Kapitel heißt: Loslassen, Flügel verleihen, Gelassenheit üben, ganz fest an die Kraft der Kinder glauben und bunte Lichtblicke sammeln.
Bis bald!